Was ist Platt?

Zur Zeit gibt es etwa 6.500 Sprachen auf der Welt, allein in Europa sind
es über 200. Rund die Hälfte dieser Sprachen wird in 100 Jahren aus-gestorben sein. Das gilt insbesondere für Regional- und Minderheits-sprachen.

In Deutschland gelten etwa das Saterfriesisch und die sorbische  Sprache als Minderheitensprachen, die zu versinken drohen.

Auch das Schaumburger Platt wird im Lebensalltag kaum noch gesprochen. Es ist zu einer Kultursprache geworden, die in besonderen Gruppen und plattdeutschen Gesprächskreisen gepflegt wird.

1992 wurde die europäische Sprach-Charta vom Europarat gezeichnet und 1999 vom Bundestag ratifiziert.  Sie dient dem Schutz und dem Erhalt der Minderheitensprachen. Inzwischen gibt es viele meist lokale Initiativen, um die Minderheitensprachen zu bewahren und zu erhalten.

Geschichte des Plattdeutschen

Wieso eigentlich platt?

  • Die Bezeichnung leitet sich nicht vom flachen Land ab, sondern wird verwendet im Sinne der Redewendung platt gesagt = direkt gesagt.
  • Frühester Beleg: 1524 erscheint in Delft (Holland) ein Neues Testament in goede platten duytsche.
  • Platt bedeutete: rund heraus gesagt, allgemein verständlich, vertraut, deutlich – im Unterschied zur Gelehrtensprache Latein, das von vielen Menschen nicht verstanden wurde.
  • Das Wort hat einen Bedeutungswandel erlebt: Platt war also zunächst das „gemeine Deutsch“, die Sprache des einfachen Volkes.
  • Im 17. Jahrhundert bezeichnete Platt die Regionalsprachen in Norddeutschland. Zu dieser Zeit bekam das Wort Platt auch einen negativen Klang, weil platt mitunter auch als sozial niedrig stehend verstanden wurde: Wenn einer Platt küret, denn is hei van’n Dörpe, inner Stadt küret se Hochdütsch.
  • Als Ende des 19. Jahrhunderts die wissenschaftliche Beschäftigung mit der plattdeutschen Sprache begann, bezeichnete man mit dem Wort Platt die Dialekte in Westmittel- und Norddeutschland.
Verbreitung

„Plattdeutsch“ oder „niederdeutsch“ bezeichnet Dialekte nördlich der „Benrather Linie“, einer Sprachgrenze, die von Benrath am Niederrhein über Göttingen nach Frankfurt/Oder führt. Die Dialekte verbindet, dass sie die zweite, die sogenannte „Hochdeutsche“ Lautver-schiebung im 7./8. Jahrhundert nicht mitgemacht haben. (Veränderung der Konsonanten: „Perd“ zu „Pferd“, „gliek“ zu „gleich“, „schlaapen“ zu „schlafen“, „eeten“ zu „essen“, „kaaken“ zu „kochen“, „ek“ zu „ich“).
Neben dieser Gemeinsamkeit gibt es jedoch große regionale Unterschiede, so dass wir verschiedene Mundarten unterscheiden (siehe Karte). Im Bereich des Schaumburger Platt berühren sich das Ostfälische, Westfälische und das Nordniedersächsische Platt.

 

Historie


Altsächsisch

  • „Plattdeutsch“ hat sich aus dem Altsächsischen im heutigen Schleswig-Holstein entwickelt, das seine Blütezeit von 800 bis 1100 hatte.
  • Zur Zeit der Völkerwanderung (4. und 5. Jahrhundert) breitete es sich nach Süden, Südwesten und nach England („Angelsachsen“) aus.
  • Auf dem Kontinent verbliebene Sachsen („Altsachsen“) sprachen die älteste Stufe der niederdeutschen Sprache, das Altsächsisch.
  • Verbreitungsgebiet des Altsächsischen war Holstein (ohne Ostholstein), Stormarn, Niedersachsen, Magdeburger Börde, Harz, Westfalen und der östliche Teil der Niederlande.


Angelsächsisch

In den angelsächsischen Dialekten und im Altenglischen gibt es starke Übereinstimmungen mit dem Altsächsischen, die
sich auch im Schaumburger Platt wiederfinden (engl. „cup“= plattd. „Köppken“; engl. „sister“, plattd. „Süster“)

 

Mittelniederdeutsche Sprache (1120-1550)

  • Sie war die wichtigste Sprechsprache in Norddeutschland und wurde auch als Schriftsprache verwendet.  Das Mittelhochdeutsche findet sich auch in Urkunden und Gesetzestexten.
  • In manchen norddeutschen Städten gab es „düdesche schriftscholen“ im Gegensatz zu den gelehrten Lateinschulen.
  • Zur Zeit der Hanse war Plattdeutsch auch Handelssprache. Hoch- und Plattdeutsch existierten nebeneinander.
  • In der Hochzeit der Hanse empfanden dann die in städtischen Milieus lebenden Menschen im Norden ihr „Platt“ als minderwertig gegenüber dem Hochdeutschen.
  • Der Wanderprediger Berthold von Regensburg berichtete Mitte des 13. Jahrhunderts, „…dass manic Niederländer is, der sich der Oberländer Sprache annimmt“.

 

Von der Einsprachigkeit zur Zweisprachigkeit

  • Im 16.-17. Jahrhundert vollzog sich ein radikaler Schreibsprachenwechsel vom Plattdeutschen zum Hochdeutschen. Folge des Schriftsprachenwechsels war, dass es keine eindeutigen Schreibweisen für das Plattdeutsche gab. Im 17. Jahrhundert verdrängte die Bezeichnung „plattdütsch“ die Bezeichnung „sassesch“.
  • Infolge von Urbanisierung und Industrialisierung lösten sich örtliche Sprachgemeinschaften auf. Es waren zunächst die höheren gesellschaftlichen Schichten, die im 19. und 20. Jahrhundert in die hochdeutsche Sprache wechselten. Die „lüttgen Lüe“ folgten diesem Beispiel. Das Niederdeutsche galt nun weithin als minderwertig und wurde nur noch in Familie, Nachbarschaft und Freundeskreis verwendet.

 

Plattdeutsch heute

Im 19. Jahrhundert verlor das Plattdeutsch als Alltagssprache an Bedeutung. Es wurde allerdings von Vereinen, Plattdeutschen Theatern und in der plattdeutschen Literatur etwa von von Autoren wie Klaus Groth oder Fritz Reuter als Kultursprache gepflegt. Mit dem Ende des Kaiserreichs verlor das Plattdeutsche seine Bedeutung als Schulsprache. Die Bedeutung des Plattdeutschen ist regional sehr unterschiedlich. In manchen Gegenden wird es durchaus im Alltag gebraucht, vielfach aber nur noch in speziellen Gruppen meist älterer Menschen gepflegt. Niedersachsen hat sich mit der Europäischen Charta für Regional- und Minderheitensprachen verpflichtet, die Plattdeutsche Sprache zu fördern. So wird Plattdeutsch an verschiedenen Schulen angeboten. Verschiedene Materialien und den Aktionstag „Freedag is Plattdag“ bietet das Projekt „Platt is cool“ der niedersächsischen Landschaften und Landschaftsverbände sowie der Regionalen Landesämter für Schule und Bildung in Niedersachsen. Der Bandcontest Plattsounds ist ein Kooperations-projekt von acht Landschaften und Landschaftsverbänden aus Niedersachsen und richtet sich an Musikerinnen und Musiker aller Genres im Alter von 15 bis 30 Jahren. In den Jahren 2020 und 2021 hat die Schaumburger Landschaft den Plattsounds Bandcontest ausgerichtet.

Plattsounds 2021 Siegerband „UrSolar“ (Foto: Tillmann Engel)

 

 

 

Was ist „Schaumbörger Platt“?

Das Sprachgebiet des Schaumbörger Platt liegt zwischen dem West- und Ostfälischen und dem Nordniedersächsischen. Grundsätzlich wird das Gebiet um Bückeburg und Stadthagen zum ostfälischen Sprachbereich gerechnet. Aber es gibt einige Besonderheiten im Schaumbörger Platt, die aus dem Westfälischen bzw. Nordniederdeutschen stammen.

Da, wo Schaumburger „Plattkürers“ aus verschiedenen Orten zusammenkommen, entwickelt sich schnell eine Diskussion über die „richtige“ Aussprache bestimmter Wörter. Das, was im Verbreitungsgebiet des Schaumburger Platt gesprochen wird, ist keineswegs einheitlich. Vielmehr gibt es bei vielen Wörtern große regionale Unterschiede hinsichtlich der Aussprache, aber auch der Verwendung einzelner Begriffe. Oft wird ein bestimmtes Wort schon im Nachbarort anders ausgesprochen. Diese Vielfalt dokumentiert die vergleichende Wörterliste in der Datenbank. Plattdeutschsprechende aus verschiedenen Orten haben einzelne Wörter gesprochen, so dass ein Bild von der unterschiedlichen Aussprache entsteht. Die Audiodateien enthalten die Erzählungen „Dat Begräffnis“ und „Dei Isenbahn“, die ebenfalls von Sprechenden aus verschiedenen Gegenden des Schaumburger Landes vorgelesen werden.

Datenbank

Besonderheiten

 

  • Im Ostfälischen erhalten die Objektpronomen „mir“ und „mich“ ein k („mik“ oder „mek“ und „dik“ oder „dek“), das im Nordniederdeutschen fehlt („mi“ und „di“;. Im Schaumbörger Platt heißt es auch „mi“ und „di“ wie im Nordniederdeutschen, in manchen Gegenden aber mek und dek.
  • Auf relativ kleinem Raum gibt es viele sprachliche Varianten, oft von Dorf zu Dorf „Koa“, „Kaa“, „Käue“ für „Kühe“,  „Oa“, „Aare“, „Oare“, „Aa“ für „Eier“).
  • Die Sprachgrenzen sind z.T. identisch mit den Trachtengrenzen („Westerte“ Tracht um Bückeburg, „Österte“ Tracht um Lindhorst).
  • Im „Westerten“ heißt es: „Ek sin ewesen“, im „Österten“ „Ek sin esein“.
  • Die Dialektgrenzen haben sich bis ca. 1945 erhalten. Durch den Zuzug von Geflüchteten und Vertriebenen aus den deutschen Ostgebieten nach 1945 und das Zusammenleben auf doch recht engem Raum in den Städten und Dörfern hat sich das Plattdeutsche mit anderen Dialekten vermischt.
Spiegel des dörflichen Lebens

 

Das Plattdeutsche ist im Wesentlichen aus dem öffentlichen Leben verschwunden. In einigen Bereichen finden sich aber Spuren dieses versinkenden Kulturgutes: in Inschriften älterer Häuser, in Flurbezeichnungen und gelegentlich auch in Straßennamen.

In manchen Landkreisen Niedersachsens hat man die Ortsschilder zusätzlich mit den plattdeutschen Ortsnamen versehen. Es wäre erstrebenswert, dies auch für Schaumburg zu tun:
Sülbeck – Sülbcke
Bückeburg – Bückeborch
Meinsen – Maansen
Hiddensen – Hiddsen
Seggebruch – Sebrauk
Meerbeck – Mierbcke
Niedernwöhren – Niernweuern
Obernwöhren – Äwernweuern
Steinhude – Steinhue
Mardorf – Madrupp
Nienstädt – Nienstieh